Radikale Ehrlichkeit in Beziehungen

27. November 2019

Radikale Ehrlichkeit, geht das überhaupt?

Ganz ehrlich, wie oft haben Sie schon eine Notlüge angewendet? Wie oft haben Sie schon etwas vertuscht, um Ärger aus dem Weg zu gehen? Oder sind Sie die absolute Ausnahme und leben radikale Ehrlichkeit in Beziehungen?

Wir lügen oft und wenn wir unser Gegenüber nicht anlügen, dann belügen wir uns vielleicht sogar selbst.

„Wir alle täuschen Gefühle vor und verstecken die Wahrheit. Wir glauben es wäre notwendig, um uns und andere zu schützen, doch das Lügen macht uns krank. Es ist ein tragisches und sinnloses Opfer.“

Brad Blanton

Lügen und Betrügen statt radikaler Ehrlichkeit

Seien Sie einmal ganz ehrlich zu sich selbst. Ehrlichkeit währt am längsten und doch lügen wir tagtäglich, immer und immer wieder. Wir lügen uns selbst an, unsere Familie, unsere Freunde, unsere Partner, unsere Kinder, unsere Chefs und unsere Angestellten. Wir lügen dermaßen gut, dass wir es am Ende selbst glauben und nicht einmal mehr bemerken.

Um Konflikten aus dem Weg zu gehen, täuschen wir etwas vor, verstellen uns oder verschweigen bedeutende Fakten. Unsere Angst wird in dem Moment etwas geringer. Doch das hält nur kurzfristig an, auf Dauer ist es schädlich. Das Lügen kostet uns etwas. Wenn wir Probleme nicht offenlegen und Konflikte vermeiden wollen entstehen kranke Beziehungen und Strukturen. Der verschobene Konflikt führt zu Distanz und innerer Kündigung. Scham und Angst spielen dabei eine große Rolle. „Wenn ich ehrlich wäre, würde man mich nicht mehr lieben.“ „Mein Gegenüber könnte die Wahrheit nicht ertragen.“ Unsere Angstfantasien und Rechtfertigungen nehmen immer weiter zu und es wird noch schwieriger die Konflikte anzusprechen, eine Spirale. Die Wahrheit kommt irgendwann ans Licht.

Mit Unehrlichkeit meine ich auch alles Unausgesprochene, wie Wünsche, Erwartungen, Zweifel und Kritik. Ich wünsche mir eine bestimmte Sache (mehr Unterstützung) von meinem Partner, traue mich aber nicht es zu sagen, da ich vermute, dass er mich dann unmöglich findet. So werde ich darauf warten (erwarten), dass er damit von allein kommt. Macht er das nicht, werde ich allmählich immer unzufriedener, abweisender, ziehe mich zurück und gehe auf Distanz. Vielleicht schäme ich mich auch den Wunsch auszusprechen, da ein Anteil in mir meint es selbst schaffen zu müssen und ich ansonsten dumm und unfähig dastehe.

Das Verschweigen von bestimmten Dingen gehört ebenso zur Unehrlichkeit. Es gibt die verbreitete Meinung, dass „nichts sagen“, wenn ich nicht direkt darauf angesprochen werde, keine Unehrlichkeit wäre. Ich sehe das allerdings anders. Wenn das Verschwiegene irgendwann herauskommt, bedeutet das einen großen Vertrauensbruch, der die Beziehung kosten kann. Unser Gegenüber hat meistens mehr Kraft, als wir ihm/ihr zutrauen, die „verschwiegene“ Information auszuhalten. Für den „Verschweiger“ ist es zudem noch wahnsinnig anstrengend, die Sache verdeckt zu halten. Meistens hat dieser zusätzlich ein sehr schlechtes Gewissen mit sich herumzutragen. Alles sehr anstrengend und am Ende platzt die Bombe doch.

Das Innere Kind und die Angst vor Strafe

Mich erinnert das sehr an ein Kind, das einen Fehler gemacht hat oder etwas ausgefressen hat und nun versucht es möglichst zu vertuschen. Die Angst des Kindes vor Strafe ist groß. Wahrscheinlich haben wir das alle auch wirklich in der Kindheit erlebt. Wir wurden bestraft mit Liebesentzug, Ablehnung, manche sogar mit seelischer und physischer Gewalt. Als Kinder können wir damit nicht umgehen, denn unsere Eltern sind die Quelle unseres Überlebens und der Liebe, die wir dazu benötigen. Heute sind wir erwachsen, können unser Leben selbst managen und haben noch genauso viel Angst, wie die Kinder von damals.

Ich möchte Sie ermutigen radikale Ehrlichkeit in ihren Beziehungen zu leben. Zeigen Sie ihr ganzes Verlangen, ihren Ärger, ihre Angst und ihre Gefühle. Legen Sie ihre Maske ab, hören Sie auf sich zu verstecken und konfrontieren Sie ihr Gegenüber mit ihrem wahren Denken und Fühlen. Damit hört das Anpassen und die Erwartungen des anderen erfüllen zu müssen, auf. Dadurch können sie wahre und tiefe Verbundenheit erleben, statt vorsichtiger Höflichkeit und sicherer Distanz. Wenn Sie es schaffen die Grenze der Scham und Angst zu überschreiten, werden Sie bemerken, dass es meistens nicht so kommt, wie ihre furchteinflößenden Vorstellungen waren. Das Vertrauen wächst und es ermöglicht wahren Kontakt.

Das wunderbarste an dem Ganzen ist natürlich, dass Sie ehrlich mit sich selbst umgehen, sich selbst dadurch nicht mehr belügen. Sie dürfen sein, wie sie sind.

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"Es ist leichter Probleme zu lösen, als mit ihnen zu leben."

Teilhard de Chardin