Das Innere Kind ist ein Teil unserer Psyche. In unserer Psyche gibt es viele verschiedene Anteile. Wie auf einer Bühne treffen sich dort zum Beispiel Kritische Figuren, Unterstützer, Zeugen, Innere Kinder, eine gute Mutter, Richter und einige mehr. Meistens sind diese inneren Anteile nicht miteinander in Kommunikation, sondern nur einer wirkt jeweils dominant. Das kann im Leben zu Verwirrungen führen, vor allem in Beziehungen.
Gerade in unseren Paarbeziehungen wirken das Innere Kind oft massiv. Ich beobachte in meinen Paarberatungen immer wieder, dass eher die Inneren Kinder miteinander kommunizieren als die Erwachsenen. Ein Bild, das mir dazu kommt, ist, dass sie im Sandkasten sitzen und sich gegenseitig die Schaufeln um die Ohren hauen.
Innere Kinder sind verletzte Kinder, die in der Zeit der Kindheit traumatische Dinge erlebt haben. Das kann starke Kritik sein, Mobbing, körperliche oder psychische Gewalt, Liebesentzug, Strafen, Bindungsabbruch und Einsamkeit.
Das Innere Kind, als Anteil unserer Psyche, ist durch die traumatischen Ereignisse in der damaligen Zeit und im damaligen Geschehen wie eingefroren. Es bleibt im Schmerz der Vergangenheit hängen und entwickelt sich nicht weiter. Wir nehmen diesen Teil allerdings nicht bewusst wahr. Zum Schutz vor den schmerzvollen Gefühlen hat sich eine dicke Mauer gebildet, die dafür sorgt diesen Schmerz nie wieder fühlen zu müssen. Die meisten Menschen entwickeln zusätzlich gute Strategien der Ablenkung. Sie arbeiten viel, treiben exzessiv Sport, intellektualisieren alles, sind innerlich getrieben und müssen ständig etwas tun, denn dann kommen sie nicht ins Fühlen.
Wenn wir als Erwachsene Situationen erleben, die in irgendeiner Art Ähnlichkeit mit der traumatischen Situation haben, kommt der Anteil des Inneren Kindes hervor und bestimmt unsere Wahrnehmungen und unser Handeln. Wir schauen dann sozusagen durch die Brille des Inneren Kindes auf die Welt und auf unsere Beziehung. Das nennt man „getriggert werden“.
Dann haben wir vielleicht das Gefühl uns ständig rechtfertigen zu müssen, oder fühlen uns sehr schnell abgelehnt, haben starke Ängste verlassen zu werden, fühlen uns häufig unter Druck gesetzt, fordern von uns selbst ständig Höchstleistungen, fühlen uns schnell eingesperrt und unserer Freiheit beraubt oder fühlen uns vom Partner nicht genügend geliebt, obwohl er schon alles dafür gibt.
In Beziehungsproblemen ist das Innere Kind meistens verwickelt. In verschiedenen Arbeiten mit diversen Themen (Beziehungskrisen, Ängste, Panik, Burnout, Depressionen, chronische Schmerzen) tauchen diese Anteile auf und wollen endlich gesehen, gehört, verstanden, angenommen, geliebt und erlöst werden.
Wenn Sie im Leben nicht vorankommen, sich blockiert fühlen, immer wieder Probleme in Ihren Beziehungen auftreten, dann wird es Zeit, sich mit dem Kind von damals zu beschäftigen. Es ist wichtig eine Beziehung zu ihm aufzubauen.
Jahre lang hat es hinter der Mauer des Vergessens vegetiert und gewartet endlich entdeckt zu werden. Viele Male hat es versucht Kontakt aufzunehmen, durch plötzliche, starke Gefühle von Wut, Trauer und Machtlosigkeit.
Irgendwann haben Sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt, dass Sie leiden, immer wieder ähnliche, unangenehme Situationen in Ihrem Leben auftreten und, dass Sie oft unangemessen reagieren. Als der innere Druck zu groß wurde, haben Sie angefangen nachzufragen, sich vielleicht sogar Hilfe, in Form von Büchern und im Internet, geholt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Kontakt zu Ihrem Inneren Kind herzustellen. Wenn Sie ein Fotoalbum aus Ihrer Kindheit besitzen, dann schauen Sie sich die Bilder genau an, schauen Sie mit den Augen einer liebevollen Mutter hin. Wie geht es dem Kind? Wie schaut es in die Welt? Ist es glücklich, springt und tanzt es oder sitzt es eher etwas teilnahmslos und verloren? Ist das Lächeln echt oder eher aufgesetzt? Was hat diesem Kind gefehlt? Was hat es alles durchgestanden? Hat es sich sehr angepasst, war lieb und nett? Versuchen Sie all diese Fragen und noch einige mehr zu beantworten! Dabei können in Ihnen Gefühle von Schmerz, Trauer, Wut oder eine starke Berührtheit hochkommen. Haben Sie keine Angst! Das zeigt nur, dass Sie den Kontakt mit dem Kind von damals hergestellt haben und nun verbunden sind.
In YouTube gibt es ein großes Angebot von Meditationen und Fantasiereisen zum Inneren Kind. Das ist eine weitere Möglichkeit Kontakt aufzunehmen. Manche Menschen schreiben Briefe an Ihr Inneres Kind. Andere fertigen Kollagen an oder Zeichnen es. Sie dürfen Ihre ganz persönliche Art finden, mit Ihrem Inneren Kind Kontakt aufzunehmen.
Es ist gut dranzubleiben. Beschäftigen Sie sich bitte nicht nur ein- oder zweimal damit und denken, dass Sie nun alles erledigt haben und Ihr Inneres Kind Ruhe gibt. Diese Anteile sind schwer verletzt und benötigen Pflege und Nachnährung. Es hat an so manchen Dingen damals gefehlt, an Liebe, Anerkennung, Sicherheit, Halt und Nähe. Eine tägliche Zuwendung ist wichtig. Es sollte zum Ritual werden, dass Sie sich täglich etwas Zeit nehmen und Kontakt aufnehmen.
Klienten erzählen mir oft, dass sie zu Beginn nicht an ihr Inneres Kind herankommen. Es sitzt in der Ecke und möchte sich dem Erwachsenen nicht zuwenden, da es kein Vertrauen hat. Zu oft hat es den Schmerz der Einsamkeit und Verlassen werden gespürt. Machen Sie bitte trotzdem täglich Kontakt! Gerade diese Kinder brauchen die Regelmäßigkeit, um langsam wieder Vertrauen aufzubauen.
Ist der Kontakt da und das Kind hat zu mehr Vertrauen gefunden, folgt der zweite Schritt, die Arbeit mit Ihrem Inneren Kind. Sie allein können es unterstützen und nachnähren, mit allem, was damals gefehlt hat. Vertrauen entsteht durch Ihre tägliche Zuwendung. Dadurch merkt es, dass Sie es ernst meinen und wirklich an ihm interessiert sind. Es spürt dadurch auch Ihre Liebe.
Zeigen und sagen Sie ihm täglich wie wundervoll, einzigartig und wertvoll es ist. Erklären Sie ihm die Welt und vor allem entlasten Sie es von Schuld. Kinder laden sich schnell Schuld auf. Sie fühlen sich schuldig, wenn es Mama oder Papa nicht gut geht, wenn diese ständig genervt sind, sich trennen wollen oder krank werden. Das Kind denkt oft, dass es daran schuld ist. Sagen Sie Ihrem Inneren Kind, dass es keine Schuld hat, dass es andere Gründe dafür gab!
Nach und nach kann das Kind heilen und ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln. Aber bitte haben Sie Geduld. Alte Muster der Anpassung und Glaubenssätze können abgelegt werden. Sie werden die Welt mit anderen Augen sehen.
Im Prozess mit dem Inneren Kind ist es gut sich therapeutische Hilfe zu holen. Ich bemerke immer wieder, dass es Menschen schwerfällt, nur mit Büchern und Videos zu arbeiten. Keiner beantwortet die Fragen, die während des Prozesses auftauchen. Es ist am Anfang auch gar nicht so einfach zu bemerken, ob Sie sich nun im Anteil des Kindes selbst befinden oder wirklich im Anteil des Erwachsenen. Wichtig ist, aus der Position des Erwachsenen, einer guten Mutter oder eines guten Vaters, auf das Kind zu schauen. Um das auseinanderhalten zu können, benötigen manche Menschen zu Beginn Hilfe. Ich unterstütze und begleite Sie gerne.
"Es ist leichter Probleme zu lösen, als mit ihnen zu leben."