Immer wieder drehen sich Themen in meiner Praxis um Liebe, Verbundenheit, Nähe und Sexualität. Meistens sind diese über die Jahre verloren gegangen und Machtkampf in Beziehung hat sich eingestellt. Doch wie konnte das geschehen und gibt es für diese Paare noch eine Rettung?
Viele Paare sehen die Gründe nur im Außen. Seit unser Kind geboren wurde….seit wir das Haus gebaut haben….seit mein Mann/meine Frau den neuen Job angefangen hat…..
Die wirklichen Gründe sind allerdings tief in unserem Unbewussten verborgen.
Am Anfang einer Beziehung leben die meisten Paare intensive und leidenschaftliche Sexualität, verbunden mit viel Nähe und Zärtlichkeiten. Die Welt scheint neu, aufregend und bunt. Der Partner ist in seiner Individualität interessant und anziehend. Es gibt Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten. Beide Qualitäten werden zu Beginn, vom jeweils anderen, positiv empfunden.
Das Leben geht weiter, der Alltag kehrt ein und damit meistens die ersten Probleme und Meinungsverschiedenheiten. Wie geht das Paar damit um? Wird nun um die jeweilige, individuelle Wahrheit gekämpft oder schaffen es beide, mit Neugier in die doch so anders scheinende Welt des Partners zu schauen und diese, genau wie die eigene, wahrhaftig zu lassen. Geschieht das nicht und der Machtkampf in Beziehung tritt in den Mittelpunkt, leiden früher oder später auch die Nähe und Sexualität darunter. Mit jedem kleinen Machtkampf in Beziehung ein Stück mehr verletzt, rücken beide immer weiter auseinander. Da helfen dann auch die Tipps verschiedener Zeitschriften und Bücher nicht mehr, die raten Nähe und Sexualität mit verschiedenen Tricks, wie Dessous, Bäder, Kerzen usw. wieder zu erwecken. Das Feuer ist im Kampf um „Recht bekommen“ erloschen.
Ich höre so oft: „Ich möchte doch nur, dass er/sie mich versteht, wertschätzt, zuhört und natürlich liebt!“ All diese Wünsche beruhen auf Gegenseitigkeit. Keiner ist in der Lage den ersten Schritt zu tun.
Die alten Wunden, Verletzungen und unerfüllten Bedürfnisse aus der Kindheit hindern uns daran. All das, was wir in unserer Kindheit ungenügend bekommen haben, suchen wir nun beim Partner. Meistens wählen wir unbewusst Partner, die nicht in der Lage sind, uns all die offenen Bedürfnisse zu erfüllen, da sie selbst bedürftige Kinder in sich tragen. Dann schleicht sich die Unzufriedenheit ein und damit der Machtkampf in Beziehung. Wir beginnen unsere Liebsten zu kritisieren und wollen, dass er/sie sich verändern. Auf Verletzung und unter der Unzufriedenheit wird mit Rückzug reagiert.
Sie kennen wahrscheinlich die Aussage von der rosaroten Brille. Das ist einerseits ein alter Hut, aber hat andererseits auch seine Berechtigung. Es ist, als ob wir uns zu Beginn einer Beziehung eine Brille der Selektion aufsetzen. Wir sehen unseren Partner/In gefiltert, durch die Brille unserer Vergangenheit und Kindheit. Wir hoffen und sehnen uns nach der Bedürfniserfüllung, die uns in den Kindertagen verwehrt blieb und inszenieren zugleich unbewusst und insgeheim eine ähnliche Beziehungskonstellation, die die alten Wunden wieder zum Vorschein bringt.
Wir suchen uns starke Partner, um unser eigenes, gefühltes Kleinsein zu kompensieren und Geborgenheit und Sicherheit zu erhalten. Im Laufe der Beziehung fühlen wir die Stärke des Partners/In, die uns am Anfang so sehr faszinierte und anzog, eher als störend und verletzend. Sie zeigt sich uns vielleicht darin, dass er/sie einfach egoistisch sein/ihr Ding macht und keine Kompromisse eingeht. Wenn ich dann mit meinen Klienten in die Kindheitsgeschichte schaue, wird alles klarer. Da gab es eine Mutter/einen Vater, die/der die Bedürfnisse des Kindes nicht ernst genommen, rigoros und radikal aus sich heraus gehandelt hat.
Nun erleben wir all die Gefühle der Machtlosigkeit, Traurigkeit, Einsamkeit und Angst, des Kindes von damals, erneut. Unsere Bedürfnisse nach Geborgenheit, Sicherheit, Wertschätzung und Liebe werden wieder nicht erfüllt. Je nachdem, welchen Kompensationsmechanismus wir uns damals in der Kindheit zugelegt haben, um psychisch überleben zu können, werden wir mit Aggression, Rückzug oder Taubheit reagiert.
Jeder Mensch erlebt seine Kindheit auf seine individuelle Art und Weise. Ich werde immer hellhörig, wenn ein Klient/In in meiner Praxis, trotz massiver Probleme in Beziehung meint, dass die Kindheit wundervoll war. Dann ist meistens Verdrängung im Spiel. Diese Verdrängung ist ein wichtiger Schutzmechanismus unserer Psyche, um emotional zu überleben. Keine Kindheit ist nur schön gewesen und jede hat auch Verletzungen mit sich gebracht.
Durch seelische Verletzungen in der Kindheit, spalten sich mindestens zwei Teile unserer Psyche ab, das Innere Kind und ein Manager. Dieser Innere Kind- Teil entwickelt sich nicht weiter, bleibt sozusagen in der Vergangenheit und in den alten Gefühlen hängen. Als Erwachsene werden wir noch immer durch diesen Teil getriggert. Wenn wir irgendeine ähnliche Situation wie damals erleben, kommt der Innere Kind- Anteil zum Vorschein und alles fühlt sich so schmerzhaft an wie vor vielen Jahren. Es kann ein Satz unseres Partners/In sein, eine Kritik, eine Geste, ein Verhalten oder ein Wunsch, der uns in die alten Verletzungen und Gefühle katapultiert. Der Manager- Anteil ist ein Kompensationsmechanismus, der uns hilft, möglichst die alten Gefühle nicht mehr zu spüren. Um die Gefühle unterdrücken zu können, haben diese Manager Anteile Strategien entwickelt, in Form von Süchten, wie Arbeitssucht, ausgeprägter Bewegungsdrang und exzessiv Sport treiben, großer Helferinstinkt (sich viel um andere kümmern), Ehrgeiz, Perfektionismus, Kontrollsucht und Intellektualisieren.
Sie haben sich mit ihrem Partner verabredet. Er kommt, wie so oft, zu spät, weil er noch dies erledigen und jenen treffen muss. Ihr inneres Kind erscheint sofort an der Oberfläche und fühlt sich nicht gesehen, nicht genug geliebt und wertgeschätzt. Es möchte doch so gerne die Nummer 1 für den geliebten Menschen sein. Aber andere Dinge scheinen immer wichtiger.
Sätze des Inneren Kindes sind dann: „Wenn er mich wirklich lieben würde, dann käme er nicht zu spät. Wenn er sich für mich interessiert und mich will, dann würde er pünktlich sein. Alles andere ist ihm wichtiger als ich!“
Sicher gab es in Ihrer Kindheit genug Situationen, in denen ihre Eltern andere Dinge wichtiger genommen haben, statt für Sie da zu sein, Sie zu hören, wahrzunehmen und wertzuschätzen. Nun, den alten Schmerz wieder spürend, reagieren Sie, aus ihrem inneren Kind heraus, mit Kritik und vielleicht sogar wütend und ungehalten.
Ihr Partner, der ebenfalls einen verletzten Inneren Kind- Anteil besitzt, kann Ihre Kritik nicht nehmen. Er ist in diesem Moment nicht in der Lage klar zu denken und sein eigenes Verhalten, wie ein Erwachsener, zu reflektieren. Sein inneres Kind fühlt sich sofort in seiner Freiheit unterdrückt und spürt stark, dass es sich immer wieder rechtfertigen muss. Bei ihm gab es wahrscheinlich eine Mutter, die viel kritisierte, ihn zurechtwies, seine Freiheit unterdrückte und bei der er lernte sich für jede Kleinigkeit zu rechtfertigen. Sein inneres Kind hat Angst vor Konflikten und geht lieber in den Rückzug, spricht nicht mehr, distanziert sich emotional oder läuft im Gespräch einfach weg.
Die Spirale beginnt sich nach unten zu drehen. Sein emotionaler Rückzug triggert nun wieder Ihre eigenen alten Verletzungen. Kinder können, durch den emotionalen Rückzug einer wichtigen Bezugsperson in Angst und Panik versetzt werden. Kaum aushaltbar werden Sie mit ihrem Muster reagieren, dem Versuch unbedingt den Kontakt wiederherzustellen. Mit Fragen stellen, Erklärungen fordern und darüber sprechen wollen, jagen Sie ihren Partner aber noch viel tiefer in seinen Rückzug. Der Machtkampf in Beziehung ist nun im vollen Gange.
Irgendwann wird diese Verstrickung aus der Kindheit, die beide betrifft, für einen Partner zu viel und er oder sie steigt aus und beendet die Beziehung.
Leider ist es so, dass wir all diese Probleme in unsere nächste Beziehung mitnehmen, wenn wir nicht anfangen, uns um unsere verletzten Anteile, unsere Inneren Kinder selbst zu kümmern. Denn unsere Partner können nicht die unerfüllten Bedürfnisse aus unserer Kindheit erfüllen, da es kindliche Bedürfnisse nach Nähe, Geborgenheit, Sicherheit, gesehen und gehört werden, sind. Es wird Ihnen wie ein Déjà-vu vorkommen, dass nach kurzer Zeit die alten Probleme, in ihrer neuen Beziehung wieder auftreten.
Sie können beginnen Verantwortung für ihre eigenen Gefühle zu übernehmen, denn diese werden durch ihren Partner nur getriggert/ausgelöst. Sie sind jedoch in ihnen schon vorher vorhanden. Also, wenn Sie sich durch ein Verhalten ihres Partners traurig oder wütend fühlen, dann ist nicht ihr Partner schuld. Er hat nur den richtigen Knopf bei Ihnen gedrückt und ist der Auslöser ihrer Gefühle.
Es gibt sehr gute Literatur über die Arbeit mit Inneren Kind- Anteilen im Internet und auch in Buchform. Eine Empfehlung von mir: „Das Kind in mir muss Heimat finden“ und „Jeder ist beziehungsfähig“ von Stephanie Stahl
Wenn Sie gerne live an diesen Themen arbeiten möchten, dann gehen Sie über mein Kontaktformular oder rufen Sie mich an. Ich freue mich, Sie ein Stück des Weges zu sich selbst zu begleiten.
"Es ist leichter Probleme zu lösen, als mit ihnen zu leben."