Ein sehr interessantes Thema, dass durch Verständnis sehr viel Gutes in Beziehung bewirken kann.
Männer streben nach Freiheit und fühlen sich schnell in Beziehungen bedrängt oder haben das Gefühl sich immer nach „Ihr“ richten zu müssen. Frauen fühlen sich in Beziehung oft vernachlässigt, nicht wirklich gesehen, missachtet und im Mangel.
Männer brauchen Rückzug, um ihre Dinge zu regeln und zu durchdenken. Frauen wollen ihre Probleme ausdiskutieren, gehen auf „Ihn“ zu, um es zu regeln.
Männer erfahren eher Enge und Frauen eher Mangel in Beziehung. Es scheint so, als ob geschlechtlich unterschiedliche Erwartungen, bedrängt beziehungsweise vernachlässigt zu werden, bestehen.
Männer und Frauen nehmen einander in ihren Beziehungen und in ihrer Kommunikation auf eine eigene, ganz bestimmte Weise wahr, vor allem, wenn Spannungen und Probleme auftauchen. Liebe könnte also eine geschlechtsspezifische Erfahrung sein, wodurch die Verständigung beider oft schwerfällt.
Die Welt der Frau sieht anders aus als die Welt des Mannes. Viele Vorwürfe und Streitereien entstehen aus der gegensätzlichen Wahrnehmung der Liebe im Zusammenhang mit Enge und Freiheitsliebe (Mann), sowie Mangel und die Sehnsucht nach Bindung (Frau).
Die Frau fordert mehr Nähe, wodurch sich der Mann bedrängt fühlt. Der Mann fordert mehr Freiheit, wodurch sich die Frau vernachlässigt fühlt.
Um das zu bekommen, was in der eigenen Welt als richtig erscheint, wird darum gekämpft, im Versuch den Partner zu verändern.
Wenn sich ein Mann, durch eine Frau und ihre Suche nach Bindung bedrängt fühlt, zieht er sich zurück und macht innerlich zu. Sie möchte Probleme diskutieren und/oder über ihre gefühlte Vernachlässigung sprechen, ihm ist das irgendwann zu viel und er flüchtet. Es ist der Versuch, seine emotionale Unabhängigkeit zu bewahren, die in Gefahr ist.
Wenn sich die Frau emotional vernachlässigt fühlt, nicht genug Nähe bekommt, reagiert sie mit großem Bemühen diese Nähe und Bindung wiederherzustellen. Sie wird ihn nicht im Rückzug lassen, wird immer wieder versuchen auf ihn zuzugehen, Gespräche anfangen. Sie wird nach Beweisen seiner Zuneigung suchen und sich anpassen, was ihn wiederum bedrängt und mehr in den Rückzug bringt.
Unbewusst ist ihre Forderung: „Zeig mir, dass du mich noch liebst!“ Sie will ein Zeichen, seine Aufmerksamkeit, überschüttet ihn mit Fragen, vielleicht auch mit Vorwürfen.
Wichtig ist, zu bemerken, dass jeder der Beiden selbst einen Anteil an der verfahrenen Situation hat und nicht nur der andere schuld ist.
Der Junge ist den körperlichen und emotionalen Wünschen der Mutter ausgeliefert. Kinder sind abhängig von der Zuwendung der Eltern. Er kann nicht einfach sagen, dass sie ihn in Ruhe lassen soll. Eine kontrollierende, übergreifende Mutter (auch wenn sie es noch so gut meint), bindet den Jungen an sich und lässt ihn ungern groß werden. Sie hat die Macht und der Junge muss um Erlaubnis bitten. So erfährt der Junge die erste Frau seines Lebens als eine übermächtige Gestalt, die er liebt und der er gleichzeitig ausgeliefert ist. Einerseits ist er auf die Nähe zu ihr angewiesen, andererseits ist diese Nähe gefährlich. Der Junge kann nicht nach außen in die Welt fliehen, also flieht er nach innen, versteckt sich in sich selbst. Er erfährt ein Gefühl der Enge, dass er mit ins Leben, in seine späteren Beziehungen nimmt.
Das Mädchen hat oft keinen Liebespartner (Vater), da er nicht da ist, da er sich in die Arbeit flüchtet. Sie erfährt schon früh einen Mangel. Der Vater ist zwar da, aber selten. Die Bestätigung, Liebe und vor allem körperliche Nähe, des Vaters zur Tochter, werden vermisst. Das Mädchen glaubt deswegen selbst nicht genug zu sein, was sie später als Frau ebenfalls glaubt.
Im Erleben des Mannes geht die Liebe und Nähe gemeinsam mit der Empfindung von Enge. So wird er nach Freiheit streben. Auch der Mann möchte Nähe leben. Er ist im Zwiespalt zwischen seinem Bedürfnis nach Nähe und dem Gefühl der Enge. So wird er nach innen ausweichen, wo sie ihn nicht erreichen kann, in seinen Rückzug.
Bei der Frau ist das Gefühl der Liebe an das Gefühl des Mangels gekoppelt. Sie wird sich bemühen ihn doch irgendwie zu erreichen. Sie sucht nach seiner Zuwendung. In ihrem Bemühen wird sie nach Liebesbeweisen Ausschau Halten, ihn mit Gesprächen aus seinem Rückzug herauslocken wollen, sich liebevoll um ihn kümmern, sich anpassen und am Ende frustriert bemerken, dass dadurch alles nur schlimmer wird.
Schon allein das Wissen über die unterschiedliche Wahrnehmung der Liebe, kann einige festgefahrene Situationen in Beziehungen lösen. Wahrnehmen und Verstehen des Verhaltens des Partners ist der erste Schritt in eine neue Richtung. Wenn die Frau versteht, dass es nicht gegen sie selbst gerichtet ist, wenn er sich zurückzieht, kann sie ihm mehr Raum lassen und in dieser Zeit, sich selbst, liebevoll zuwenden. Sie kann den Mangel in sich selbst entdecken und mit Liebe füllen. Das wird ihn entspannen. Wenn der Mann versteht, dass sie ihn nicht, wie damals seine Mutter, vereinnahmen und kontrollieren möchte, sondern nach wirklicher Nähe und Aufmerksamkeit sucht, kann er ein wenig aus seinem Rückzug herauskommen. Auch er muss das Gefühl der Enge als sein eigenes Gefühl erkennen, dass nicht seine Frau erzeugt, sondern aus seiner Beziehung zur Mutter stammt.
"Es ist leichter Probleme zu lösen, als mit ihnen zu leben."